Der Der Wunsch, Geschichten zu erzählen und Geschichten zu hören, ist der Kern meiner Arbeit. Geschichten schaffen Zusammenhalt – und trennen uns. Nichts hat so viel Einfluss auf das Soziale wie das, was wir mit- und übereinander an Geschichten konstruieren. Meist geschieht das unbewusst. Die Erzähler:innen aller Zeiten hatten daher eine wichtige Aufgabe: dieses täglich wuchernde und wabernde Machwerk des menschlichen Geistes zu formen und zu lenken. Was für eine verantwortungsvolle Aufgabe das Erzählen doch ist!
Etwa zwanzig Jahre habe ich vornehmlich damit verbracht herauszufinden, wie Geschichten konstruiert sind und wie sie entstehen. Und mir ist klar geworden: Dieser Prozess geht durch alle Stockwerke der Persönlichkeit hindurch. Welche Einflüsse in deinem Leben sind dir bewusst, welche nicht – und wirken dafür umso stärker? Was wird gesagt, was wird verschwiegen? Wo liegt dein Allerheiligstes, welchem Stern folgst du? All diese treibenden Kräfte des Lebens und der Kommunikation sind in eine Erzählung hineingeheimnisst. Die Kunst des Geschichtenerzählens ist daher für mich die faszinierendste Kunst überhaupt.
In letzter Zeit frage ich mich ebenso sehr, wie wir Geschichten dekonstruieren. Geschichten, die unsere Denkgewohnheiten wie Filter über die Wirklichkeit legen. Geschichten, die uns erzählt wurden und wohl aus dem gewebt sind, was wir Sozialisation nennen. Geschichten, die wir für so wahr halten, dass wir sie nicht hinterfragen, sondern einfach nur reproduzieren. Geschichten, die uns – auf die eine oder andere Art – blind machen für die Wirklichkeit.
Geschichten brauchen Zeit. Folglich sind Geschichten in unserer Zeit – wie so vieles – vom Aussterben bedroht. Wenn wir aber ohne Geschichte sind, dann kommt irgendwann ein Idiot und macht Geschichte mit uns. Das darf doch nicht wahr sein! Also los!
Damit du deine Stimme findest. Für etwas, das uns allen vielleicht zuvor unsagbar schien. Damit sich daraus Geschichten formen – schräge, bizarre, eigensinnige. Damit eine neue Poesie entsteht, die uns wach macht für diesen Moment und füreinander. Damit du mit dir übereinstimmst. Ich kann mir kaum etwas Schöneres vorstellen.